Also
da mich ja schon einige mit Fragen ueber meinen Austausch in China
geloechert haben, wollte ich euch etwas an meiner Reise teilhaben lassen.
Dieser Bericht beschreibt die Erlebnisse der ersten 3 Monate in meiner
neuen Heimat.
China,
das Land der grossen Mauer, des Reis, das Reich von Ex-Chairman Mao Zhedong, ein Land das man wie jedes andere nicht erklaeren kann, sondern erleben muss. Man muss es erfahren.
"Hier im Osten ist alles anders."
Ich zitiere mich selbst, nach einem anstrengenden Tag. Und ich hatte Recht - zugleich Unrecht. Es gibt kein Anders - kein Richtig - kein Falsch. Nur Einzigartikeiten, die man erfahren kann. Man kann Unterschiede finden, die Welt entdecken.
Jedoch fangen wir meine Reise an jenem Tag an, wo ich meinen ersten Flug beendet hatte, der 24.08.2007.
Sicher in Beijing (Peking) angekommen, orientieren sich alle erstmal, stecken das Jetlag weg und machen Bekanntschaften mit Leuten aus aller Welt. Gegen Mittag erkunden wir den Sommerpalast bei ca. 36 Grad Celsius und einer guten Luftfeuchtigkeit. Wir machen unsere ersten Bekanntschaften mit unserer neuen Umgebung.
Viele Finger deuten auf uns, auch wenn dies die Hauptstadt Chinas ist. Es ist zu erwaehnen, dass viele Chinesen die mich treffen zum ersten Mal in ihrem Leben einen "nicht-Chinesen" treffen, sehen oder gar ein Gespraech mit ihm haben. Die Vorbereitungen die wir auf dem Universitaetsgelaende im Arrivelcamp in Beijing haben sind sehr nuetzlich.
Am Abend gehe ich mit meinem Freund Tom zu Bett. Obwohl wir 2 Tage ohne Schlaf hatten und ein Jetlag von 7 Stunden auf uns lastet, koennen wir es uns nicht nehmen lassen die Filme "Der Herr der Ringe" und "Findet Nemo" auf chinesisch -in voller Laenge zu gucken-, nur um unsere Chinesisch Kenntnisse auf die Probe zu stellen.
Am letzten Tag von Beijing machen wir den Pflichtbesuch bei der Chinesischen Mauer. Die Worte unseres Touristenguides klingen mir immer noch etwas in den Ohren:
"If you haven't climbed the Chinese Wall you're not a real man."
Aber am Ende standen wir auf der Festung und dachten nur (Frauen eingeschlossen): JETZT sind wir echte Maenner.
Am Abend dann eine echt anstrengende Zugfahrt in die Stadt wo ich nun lebe: Changzhou.
Die Stadt liegt westlich von Shanghai und ist 1 Stunde mit dem Zug von Shanghai und Nanjing entfernt. Ich wache durch die Zugansage auf und rate, dass wir bald da sind - gerade rechtzeitig.
Dann folgt ein einmaliger Augenblick. Der Moment, wo wir ueber den Jangtse-River fahren, ca. 3 Minuten nur schwefelgelbes Wasser. Der groesste Fluss Chinas. Nun am Bahnhof angekommen, der langerwartete Augenblick: Meine Gastfamilie.
Ich habe einen 3 Monate juengeren Bruder, Mama und Papa. Ich werde mit offenen Armen, sowie Herzen, von ihnen und ihrer Verwandtschaft empfangen. Mit meinem Gastopa habe ich in dieser ersten Zeit viel Schach und eine Art 5-Gewinnt in 2D gespielt.
Eine Woche restliche Ferien in China machen mich dann sehr vertraut mit meiner Gastfamilie.
Die naechste Nachricht ist dann doch etwas ploetzlich:
Alle Senior 1 Klassen gehen fuer eine Woche in ein "Military Training".
Der Fairness halber mache ich eine kleine Zusammenfassung.
Ich nehme kein Blatt vor den Mund, wenn ich behaupte, dass fuer alle (ja wirklich alle) die ersten Tage mehr als hart waren. Die Betten waren hart, das Essen"lecker", die Sonne heiss, die Offiziere sehr streng. Der 10 Kilometermarsch war kraeftezehrend und die Uniformen haben gestunken.
Doch alles in allem war ich doch diesem Zufall mehr als dankbar, ich hatte eine Chance, meine Klassenkameraden in einer Weise kennen zu lernen, wie es in den 3 Monate, die ich bis jetzt hier bin, nicht besser haette sein koennen.
Einen Tag hatte ich am Morgen sehr schwere Kopfschmerzen. Also, wie in Deutschland: Kopfschmerztabletten nehmen, dem Offizier Bescheid geben und dann ins Bett legen, versuchen zu schlafen. Aber ich hatte die Rechnung ohne die chinesische Medizin gemacht. Ab zum Onkel Doktor. Der zum Krankenzimmer umgebaute Schlafraum war voller Schueler, die nicht in der Lage waren an den Uebungen teilzunehmen. Der Arzt schien sehr gut zu sein, aber die erste Sache die ich sagte als ich in jedem Chinesen ca. 6 Akupunkturnadeln gesehen habe war : "Keine Nadeln".
Er holt 2 Nadeln aus einer Box und desinfiziert sie. "Keine Nadeln,verstanden ?? Sag ihm das bitte".
"Die Nadeln sind nicht fuer dich" ZACK, hab ich 2 Akkupunkturnadeln im Nacken auf den Halsmuskeln.
"KEINE NADELN !!!!!!!!!!!!!!!!!!"
Im Endeffekt bekam ich eine sehr intensive Kopfmassage in einer speziellen Sitzhaltung, die meine Energien sammelte, welche mich sehr muede machte aber gleichzeitig meine Kopfschmerzen linderte. DANN konnte ich meinen "verdienten" Schlaf haben. Schlussendlich, ich hatte die Moeglichkeit zu zeigen, dass ich mit dem Camp besser fertig wurde, als viele chinesischen Schueler. Und ich hatte Erfolg. So wurden die letzten 4 Tage zu einer sehr schoenen Erfahrung. Ich machte Bekanntschaft mit meinem jetzigen Schultischnachbarn Zhang Yi Wen und den anderen chinesischen Schuelern, die mich durch die naechsten 10 Monate auf meiner Reise begleiten sollten.
Dann ein mit Spannung erwarteter Augenblick - die Schule. 4500 Schueler und 3 AFS-Leute. Ein Junge aus Daenemark, ein Maedchen aus Japan und ich aus Deutschland.
Zuerst bin ich etwas eingeschuechtert, weil ich nichts verstehe und auch nichts lesen kann. Wir werden jedoch von Beginn an sehr gut betreut. Meine Klasse ist mit 60 Schuelern relativ gross, wenn man sie mit dem europaeischen Standard vergleicht. Dieser liegt ca. bei 25 Schuelern pro Klasse.
Wir nehmen am Vormittag von 7:20-12:00 am normalen Unterricht teil. Dann haben wir eine Pause von 1 1/2 Stunden, in der wir essen und die Schueler einen grossen Teil ihrer Hausaufgaben machen muessen, weil sie sonst nicht Abends vor 23:00 ins Bett gehen koennen. Die chinesische Regierung hat die Hausaufgaben drastisch gekuerzt. Man muss sich aber vor Augen halten, dass die Schule um 7:20 beginnt(70% der Schueler sind trotzdem schon um 6:30 da) und um 19:00 endet. Folge: Die Schueler sind von Sonnenaufgang bis Untergang in der Schule. Abends muessen sie dann Hausaufgaben machen und bis spaet in die Nacht lernen. Falls einige Schueler nicht in den Top 10 ihrer Klasse sind muessen sie von ihren Eltern aus extra Aufgaben lernen um besser zu werden.
Nach der Pause haben nur wir AFS Schueler Chinesisch, da meine "auslaendischen" Freunde komplett bei 0 starten. Weiterhin im Programm stehen z.B. Chinesische Kultur, Kalligraphie, Kunst oder Tai-Chi (extrem lustig).
Schulschluss ist fuer mich gegen 17:00 - 17:30, abhaengig von der Jahreszeit.
Aufgaben, z.B. die Schule putzen, werden von den Schuelern uebernommen. Ich wische beispielsweise jeden Donnerstag den Klassenraum mit einem Mopp.
Jeden Montag Morgen haben wir eine Zeremonie, bei der die chinesische Flagge gehisst wird. Die Nationalhymne wird gesungen und wichtigen Ankuendigungen fuer die Woche werden verkuendet. An den restlichen Wochentagen haben wir eine Art "Morgen-Gymnastik".
Was mir direkt in der ersten Woche aufgefallen ist, ist dass der Unterricht komplett frontal gehalten wird. Der Lehrer redet, die Schueler schreiben. Selbst in gesprochenen Sprachen wie Englisch kommt so gut wie kein Englisch zum Einsatz.
Dieser Recht harte Vergleich trifft es vielleicht ganz gut: Der schlechteste Schueler in gesprochenem Englisch in Deutschland (aus meiner Klasse in Deutschland) ist doppelt so gut wie ein chinesischer Schueler, wobei beide seit 6 Jahren Englisch lernen.
NATIONALDAY 1.10.07
Man muss wissen, das ueber den Nationalfeiertag 2 Wochenenden zusammengelegt werden (man arbeitet hier auch am Sonntag) und mit 3 Tagen Ferien eine ganze Woche im Glanze der Gruendung von China steht.
Man besucht seine Familie und Verwandte oder seine Freunde. Die Hotels sind ausgebucht, alle Restaurants voll und das Zugsystem bricht fast zusammen.
Am ersten Tag besuchten wir meine Grosseltern und hatten dort ein sehr gutes Essen. Der Nationalfeiertag besteht an sich aus einem grossen Essen. Als ich mit meinem bestem chinesischen Freund Zhang Yi Wen seine Familie besucht habe bestand der Tag aus einem grossen Essen. Der Tisch wurde immer voller, das Essen immer besser und alle immer freundlicher.
SHANGHAI 6.10.2007
Das war ein Spektakel. Alles voller Menschen. Und ich als Auslaender mitten drin. Unerkannt. Unbeachtet. Eine 14.000.000-Stadt.
21.10.2007
Die Sprache. LOL.
Meine Klassenkameraden muessen sich in Acht nehmen, weil ich sie immer mehr verstehe. Ich weiss, wann sie ueber mich reden und letztens sogar was sie reden.
Meine Klassenkameraden wundern sich immer mehr, wenn ich sie verstehe und auch mal nachfrage. Man, sind die dann aus dem Haeuschen. Es ist nicht grade einfach chinesisch zu lernen, es ist aber auch nicht schwer.
Wir schreiben den 24.10.2007.
Deutschland friert, im Norden Chinas faellt bald der erste Schnee und wir in Changzhou laufen noch in T-Shirts rum.
Die Menschen hier frieren echt. Unterhalb des Jangste-River gibt es keine Heizungen. Und selbst im Norden funktioniert alles mit einem Warmluftsystem. Wasserheizkoerper gibt es in China nicht. Mein daenischer Freund Lasse und ich sowie alle (maennlichen) Europaer tragen immer noch Kleidung mit kurzen Aermeln und meine Gastmutter kuschelt sich in die Winterjacke ihres Sohnes, weil ihr extrem kalt ist.
Wenn ich in Deutschland nach Hause komme kann ich meine Jacke ausziehen und mich wohlfuehlen. In China sind die Aussen- und Innentemperaturen gleich. Eine Art Daemmung der Haeuser ist leider nicht vorhanden.
Alles zusammen waren das wohl die wichtigsten Momente von 3 Monaten, welche mir immer im Gedaechnis bleiben werden.
Ich spreche im Moment 80% englisch 20% chinesisch (mehr als ich dachte). Dann kommt noch das deutsche... Ich denke zwischen deutsch und englisch mit chinesischen Woertern, die ich kenne. Meine Ausrufe sind immer noch 100% deutsch
Ich freue mich auf den Tag, wenn ich alleine ohne Hilfe durch die Strassen gehen kann und mit den Leuten kommunuzieren kann, alles ohne Hilfe.
Hier fuege ich noch ein geheimes Kapitel fuer alle Member der GPC hinzu.
Ich moechte mich bei euch allen bedanken, da ihr diese wunderbare Community aufrecht erhaltet welche mir einen Halt gegeben, der fuer mich in den ersten Monaten sehr wichig war.
Durch euch habe ich meinen Weg zum Pen-Spinning zurueck gefunden.
An dieser Stelle bedanke ich mich noch bei
Der Daene (weil er sau nett ist)
Eso (falls er das hier je liest) fuer seine hervorragenden Tutorials
sowie Dextar und natuerlich Robert bedanken.
Zu guter letzt moechte ich der Stiftung Mercator danken, durch die mir dieses Abenteuer erst ermoeglicht wurde, da ich von ihnen mit einem Teilstipendium unterstuetzt werde.
munter
im November 2007